Alte Sorten – braucht man die?
Was sind alte Sorten? Mit alten Sorten sind solche gemeint, die es schon vor der Industrialisierung der Landwirtschaft gab, also vor Mineraldünger und synthetischem Pflanzenschutz. Als eine der ersten neuen Apfelsorten gilt beispielsweise Jonagold, eine Züchtung aus dem Jahr 1943.
Ab den 1950er Jahren wurde der Streuobstanbau zugunsten einer Obstplantagenwirtschaft zurückgedrängt. Diese neue Produktionsweise setzte auf neue Sorten, die stark fruchten und deren Früchte gut transportfähig waren. Dieses Obst ist festfleischig (knackig) und besonders süß im Geschmack. Das Züchtungsziel Widerstandsfähigkeit galt als vernachlässigbar – man setzte (und setzt) auf agrochemische Kampfstoffe.
Eben weil es diese vor den Weltkriegen kaum gab, zeichnen sich frühere Züchtungen, also alte Sorten, vor allem dadurch aus, dass sie besonders krankheitsresistent sind.
Gleichzeitig sind sie meist weit weniger knackig – und zwar deshalb, weil in früheren Zeiten die Zähne vieler Menschen mit festem Fruchtfleisch wenig hätten anfangen können. Anders als heute, war „Knackigkeit“ also kein Zuchtziel. Auch die Transportfähigkeit der Früchte war kaum von Bedeutung, weil sie lokal verfügbar waren.
Sortenvielfalt schützt
Weil die Zukunft ungewiss ist, kümmern wir uns um den Erhalt alter Sorten – ganz konkret mit unserer Arbeit für die OÖ Obstgenbank Ritzlhof.
Sicher ist: Es werden immer wieder neue Pflanzenkrankheiten auftauchen und nicht alle noch verbliebenen Kultursorten werden auf diese Krankheitserreger (bzw. Schädlinge) gleich reagieren. Manche werden stark, andere weniger und wieder andere gar nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Wenn, wie heute in der Pflanzenzucht üblich, nur mehr mit eingeschränktem Genpool gearbeitet wird („genetischer Flaschenhals“) erhöht sich die Gefahr, dass alle Neuzüchtungen dieselben „Schwächen“ aufweisen.
Nahezu alle neuen Sorten gehen auf nur sechs Sorten („Eltern“) zurück, die teilweise auch mehrfach im Stammbaum auftauchen:
Golden Delicious, McIntosh, Cox Orange, Jonathan, Red Delicious und James Grieve. Allesamt sind mehr oder weniger anfällig für Krankheiten wie Schorf, Mehltau, Blattfleckenkrankheit oder Triebspitzenmonilia – ihr Erwerbsanbau ist ohne synthetische Agrochemie undenkbar. Aus diesem Grund eignen sie sich auch nicht für den Hausgarten oder die Streuobstwiese. Dort empfehlen wir, mit alten, bewährten Sorten zu arbeiten.
Wir brauchen die alten Sorten als Genreserve, auf die wir im Fall des Falles wieder zurückgreifen können – zum Beispiel, weil sie sich als besonders widerstandsfähig gegenüber äußeren Einflüssen wie Krankheiten, Trockenheit oder Wind zeigt. Erhalten wir ihre Genetik nicht, wird sie uns dereinst vielleicht fehlen. Kultursorten, die nicht erhalten und vermehrt werden, verschwinden binnen weniger Jahrzehnte – „zurückholen“, lassen sie sich nicht.