Vorteile des Öschbergschnitts
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts verliert der Anbau großkroniger Obstbäume (Hochstamm-Obst) stark an Bedeutung.
Weit verbreitet sind heute Monokulturen, also dicht gepflanzte Niederstammplantagen, die auf den intensiven Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel angewiesen sind.
Hier wird das Obst auf kleinkronigen bzw. schwachwüchsigen Wurzelunterlagen produziert. Diese Pflanzen sind zwar ertragreich, aber nicht langlebig – vital sind sie in der Regel nur 10 bis 20 Jahre lang. Entsprechend wenig Rücksicht wird beim Schnitt der verwendeten Spindel- oder Buschformen auf deren pflanzenphysiologische Ansprüche genommen. Erzogen und geschnitten werden sie ausschließlich mit Blick auf den maximalen Ertrag.
Im weit extensiveren Streuobstbau geht man anders vor und setzt auf einen „naturgemäßen Obstbaumschnitt“. Die Zielvorstellungen des Schnitts gehen über den Ertrag hinaus: Auch die Stabilität, Vitalität und Langlebigkeit der Pflanzen müssen beachtet werden. Ein zurückhaltender Schnitt unterstützt die natürliche Regenerationskraft der Bäume und hält sie lange produktiv.
„So wie jedes Pflanzenwerk, Kartoffel- und Getreidefeld gepflegt werden muss, muss auch jeder Obstbaum (…) durch Schnitt gepflegt werden.“ (H. Spreng, Oeschberg 1943)

ZIELE DES ÖSCHBERGSCHNITTS
- Erziehung einer schlanken Mitte, garniert mit kurzen Fruchtästen und Fruchtholz, jedoch ohne zweite Astserie (Sekundärkrone).
- Erziehung von 3 bis 4 Leitästen, die in einem flachem Abgangswinkel aus dem Stamm wachsen, aber eine steil stehende Leitastverlängerung aufweisen.
- Erziehung von kräftigen, flach stehenden und untergeordneten Fruchtästen an Mitteltrieb (Stammverlängerung) und Leitästen.
Aufbau einer Stabilen Krone
Durch die beharrliche Erziehung von drei bis vier relativ steilen, selbsttragenden Leitästen und eines Mitteltriebes (Stammverlängerung) erhält man ein stabiles Kronengerüst, das es ermöglicht, die Obstbäume bis ins hohe Alter in einem Zustand zu halten, der einer gut gebauten Naturkrone sehr nahekommt.
Durch einen regelmäßigen Rückschnitt der Leitäste und der Kronenmitte werden diese kräftig, was einem Abkippen unter Fruchtlast vorbeugt.
In der Jugend des Baumes angelegt, wird diese ausgewogene Form des Kronenaufbaus bis zum Ende des Baumlebens beibehalten.
Die Mitte des Baumes wird mit Fruchtholz – und ohne weitere Hauptäste – spindelförmig aufgebaut *.
(*Die Bildung einer zweiten Krone ist in diesem System unerwünscht. Sie würde den unteren Bereich des Baumes zu sehr beschatten, sich negativ auf die Stabilität auswirken und zudem den Fruchtertrag immer weiter nach oben und außen am Baum drängen.)
An den drei bis vier steilen Leitästen werden balkon- bzw. fächermäßig Fruchtäste nach außen gezogen. So wird der Baum breit und bleibt trotzdem stabil. Die meisten Früchte wachsen selbst bei älteren Bäumen im unteren Kronenbereich und an der Mitte.
Baumfreundlicher Schnitt
Zweifellos ist der Öschbergschnitt das baumfreundlichste Schnittsystem, weshalb es sich in Fachkreisen längst durchgesetzt hat. Heute gelten Öschbergkronen als optimal für stark- bzw. mittelstark wachsende Unterlagen.
Die Zeiten, als den Bäumen ihre natürliche Baumspitze, sprich der Mitteltrieb, genommen wurde, damit eine sogenannte Hohl- bzw. Trichterkrone entsteht, scheinen weitestgehend überwunden. Bereits im 17. Jahrhundert als „dreidimensionale Kunstform“ überhöht, wurde der „Kunstkronenbau“ – der eigentlich eine Kronenverstümmelung ist – bis in die jüngere Vergangenheit praktiziert.
Der Vater der Öschbergkrone, Hans Spreng, hatte den Anspruch eine „leicht verständliche und klare Lehrmethode“ zu entwickeln, die die Fruchtbildung in den unteren und inneren Kronenpartien dauerhaft ermöglicht. Gleichzeitig war ihm wichtig, dass kein Baumschnitt nur nach Schema F erfolgen darf.
„Wer sich mit der Kronenpflege der Obstbäume befassen will, muss nicht nur die Methode beherrschen, sondern darüber hinaus auch ein guter Beobachter sein und die wichtigsten physiologischen Grundgesetze kennen, welchen das Leben der Bäume gehorcht. … entscheidend hierbei ist das Erkennen und Berücksichtigen Obstsorten-spezifischer Wuchseigenschaften.“ (Neuzeitliche Obstbautechnik und Tafelobstverwertung; Fritz Kobel & Hans Spreng 1949).
Anders formuliert: der Oeschbergschnitt gibt zwar eine nützliche Leitlinie vor, sollte in der Praxis aber nicht dogmatisch, sondern flexibel angewendet werden.